ALZEY – Der Linken-Politiker Kemal Gülcehre hat Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayip Erdogan bei der Polizei gestellt. Unter Berufung auf Paragraf 130 des Strafgesetzbuches fühlt sich der 47-jährige Vorsitzende des Beirates für Migration und Integration im Landkreis Alzey-Worms „durch die beleidigenden Äußerungen gegen unsere deutschen Mitbürger und den deutschen Staat“ von Erdogan aufgehetzt.
Durch Erdogans Nazi-Vergleich würden Angst und Hassgefühle gegen Deutschland erzeugt und somit der soziale Frieden in der Bundesrepublik zwischen den bisher friedlich hier zusammenlebenden türkischen Migranten und Deutschen gefährdet. „Die Worte des Präsidenten suggerieren, dass Deutsche die Feinde von Türken seien“, so Gülcehre. Durch den angekündigten Besuch Erdogans in der Bundesrepublik befürchtet der Alzeyer „weitere Volksverhetzungen und eine Spaltung zwischen Menschen mit türkischen Wurzeln und den deutschen Mitbürgern“. Kemal Gülcehre wurde in Pülümpür in der Türkei geboren. Er sitzt für die Linken im Alzeyer Stadtrat und dem Kreistag Alzey-Worms. Der Kurde engagiert sich in der alevitischen Gemeinde Alzey. Er hat in der jüngsten Vergangenheit mehrere Demonstrationen gegen die Unterdrückung von Grund- und Freiheitsrechten in der Türkei mitorganisiert.
Das Mainzer Polizeipräsidium bestätigt den Eingang der Anzeige. Das Verfahren führt die Staatsanwaltschaft Mainz.
„Thema ist in Alzey angekommen“
„Das Thema ist in Alzey angekommen“, stellt Bürgermeister Christoph Burkhard mit Blick auf die zunehmenden Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen vor Ort fest. Vermehrt werde er in seiner Sprechstunde von Anhängern der widerstreitenden Lager in der türkischen Politik damit konfrontiert. „Die Befürworter Erdogans machen genauso wenig einen Hehl aus ihrer Meinung wie die Gegner“, sagt Burkhard. Der Bürgermeister berichtet von einem Mann, der sich in der muslimischen Gemeinde engagiert habe und dort in einen Interessenkonflikt geraten sei. „Es wurde offenbar auf ihn eingewirkt, sein Verhalten und seine Einstellung zu ändern“, berichtet Burkhard. Die Spannungen zwischen den verschiedenen Strömungen gebe es in Alzey jedoch schon seit vielen Jahren. „Das ist bedauerlich, aber da gibt es nichts zu verniedlichen“, unterstreicht der Rathauschef.
„Wir leben in einem freien Land“
Die Anschuldigungen, dass in der Hicret-Gemeinde jemand unter Druck gesetzt worden sei, weist Halit Türedi zurück. „Wir sind eine religiöse Gemeinschaft. Da hat Politik nichts zu suchen“, sagt der Vorsitzende des türkisch-islamischen Kulturvereins, der auch die Hicret-Moschee in der Bahnhofstraße betreibt. Er selbst achte darauf, dass es im Verein und in der Moschee nicht zu politischen Diskussionen komme, zumal dem Verein Muslime verschiedener politischer Richtungen angehörten. „Was die Leute privat miteinander reden, darauf habe ich natürlich keinen Einfluss“, so Türedi.Gülcehres Anzeige kommentiert Türedi so: „Wir leben in einem freien Land. Jeder kann hier machen, was er will.“ Zu den Aussagen Erdogans will Türedi mit Blick auf seine Stellung als Vorsitzender der Gemeinde nichts sagen. Allerdings beklagt er, dass die hier lebenden Türken immer zum Spielball der Politik würden – hier wie in ihrem Heimatland. Gegenwärtig sei die Stimmung wegen des Wahlkampfs aufgeheizt. Ob Erdogan seine Haltung und Rhetorik nach der Wahl ändert? „Hoffen wir’s“, sagt Halit Türedi.
Quelle: Allgemeine Zeitung, von Thomas EhlkeReporter Politikredaktion