Als die LINKE bedauern wir das zutiefst. Es ist ein fatales Signal im Kampf gegen Gewalt an Frauen – insbesondere mitten in der Corona-Pandemie, in der es nachweislich zu deutlich mehr häuslicher Gewalt kommt und Frauen deshalb besonders auf Schutzeinrichtungen und Hilfsangebote angewiesen sind.
In der Türkei werden jährlich über 400 Frauen von ihrem Partner, Ex-Partner oder von männlichen Verwandten ermordet. Jede von ihnen ist eine zuviel!
Bei der Istanbul-Konvention handelt es sich um ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Es ist ein 2011 ausgearbeiteter völkerrechtlicher Vertrag und schafft verbindliche Rechtsnormen.
Die Konvention trat 2014 in Kraft. Bis März 2020 wurde sie von 45 Staaten Staaten unterzeichnet und von 34 ratifiziert. Die Türkei hat sie als erster Unterzeichnerstaat im März 2012 ratifiziert. Das Übereinkommen schreibt unter anderem vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystemen der Unterzeichnerstaaten verankert sein muss.
In Istanbul unterzeichneten die ersten dreizehn Mitgliedstaaten des Europarates das Abkommen. Deshalb trägt das Abkommen den Namen „Istanbul-Konvention“. Und nun tritt ausgerechnet die Türkei als bisher erstes und einziges Land aus der Konvention aus. Damit kommt Staatspräsident Erdogan konservativ-islamistischen Kreisen entgegen, die den Austritt gefordert hatten und behaupteten, das Übereinkommen fördere Scheidungen und schade der „Einheit der Familie“. Für Gökce Gökcen von der Oppositionspartei CHP zeigt dies, dass in der Türkei Frauen weiterhin Bürger zweiter Klasse sind und getötet werden.
Auch für Deutschland ist die Istanbul-Konvention ein wichtiger Baustein im Kampf gegen strukturelle Ungleichbehandlung der Geschlechter und gegen Gewalt gegen Frauen. Auch in Deutschland sind wir leider weit davon entfernt, alle Beschlüsse der Konvention bisher umgesetzt zu haben. So hat sich Deutschland nach der Konvention dazu verpflichtet, zwei Schutzunterkünfte für von Gewalt betroffene Frauen auf 10.000 Einwohner*innen einzurichten. Tatsache ist aber, dass allein in Rheinland-Pfalz jährlich …. Frauenhausplätze für hilfesuchende Frauen fehlen. Auch in Alzey, einer Stadt mit fast 20.000 Einwohner*innen, gibt es bisher leider keine umfassende Hilfeeinrichtung für von Gewalt betroffene Frauen.
Damit sich dies ändert hat der Stadtrat der Stadt Alzey kürzlich einvernehmlich und parteiübergreifend eine Resolution verfasst und an den Kreistag beziehungsweise an den Landrat weitergeleitet. Darin erklärt das Alzeyer Stadtparlament seine Absicht, sich für mehr und umfassendere Hilfeeinrichtungen für von Gewalt betroffene Frauen vor Ort einzusetzen. Dazu besteht nach der Schließung des Frauenzentrums „Hexenbleiche“ im letzten Jahr besonderer Handlungsbedarf. Der Landrat wird gebeten, zu diesem Anliegen zeitnah einen runden Tisch einzuberufen.
Nicht nur in der Türkei ist Gewalt gegen Frauen ein strukturelles, tief verwurzeltes Problem. Auch in Deutschland versucht täglich ein Mann seine Partnerin, Ex-Partnerin oder weibliche Verwandte umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt es einem. Das ist jeden dritten Tag eine zuviel!